Splitter-Echo-Gliederung

 

Splitter

1. Übermaß – die Fülle, die überschreitet.

2. Zumutung – Nähe ist riskant, aber möglich.

3. Verhärtung – Misstrauen institutionalisiert Nähe als Gefahr.

 

 

Übermaß - 

Die Fülle überschreitet. Sie kippt. Sie wird Last.

 

 

Echo

„Übermaß ist der Anfang, wo Fülle zur Last wird.“

„Zumutung ist die Prüfung, wo Nähe riskant, aber möglich bleibt.“

„Verhärtung ist der Kontrast, der Vertrauen sichtbar macht, indem er es verweigert.“

I.

Butterdose.

Butterdose, bitte

„Für alle, die noch wissen, was eine Butterdose ist.“ 

In meinem Haushalt fehlt ein Gegenstand –

man denkt, davon geht die Welt nicht unter, aber dennoch fehlt er.

 

                                         Eine Butterdose - fehlt.

                                         Fehlt.

                                        Fehlt.

 

Mein Untermieter hat beim Ausräumen des Geschirrspülers eine Butterdose fallen lassen.

Sie war aus Plaste und mit ihrem Sprung schon längst im Müll.

                                     Und ohne sie?

                                     Die Welt geht nicht unter -

                                     doch,

                                     doch,

                                     doch.

Wo kriege ich eine neue Butterdose her – langsam nervt der Zustand.

Also der Haushaltswarenladen in der Conrad-Wolf-Straße,

der hat ja schon vor Jahren Schluss gemacht –

konnte vielleicht nicht so viele Butterdosen verkaufen, wie die Miete kostet.

 

Aber ich brauche jetzt eine zum Donnerwetter und

inzwischen ist mir auch piep egal wie sie aussieht. –

Helllila mit ein bisschen Rose’ oder buntgekringelt – das ist mir wurscht.

                                  Helllila ?

                                  Rose`?

                                  Buntgekringelt?

                                  Egal.

                                  Nur Butter.

                                  Nur Dose.

Sie soll nur die Butter aufbewahren können, sonst nichts.

                                Nur Butterdose.

Sie muss nicht bluetouchfähig sein und braucht auch keinen Kopfhöreranschluß –

                                Nicht bluetouchfähig.

                                 Kein Kopfhöreranschluss.

sie soll nur Butterdose sein – geht das?

                                Nur Butter.

                                Nur Dose.

                                Nur Butterdose.

Wir lassen uns nicht unterkriegen.

Wir marschieren ins kleine Einkaufsparadies, ins Allee Center.

Aber wenn du denkst, du denkst, dann denkste nur, du denkst. –

Woolworth, der einzige Laden, der eine kleine Haushaltsabteilung führt –

ist zu, leer, ausgeräumt.

Wegen Umbau geschlossen, wobei nicht ganz klar ist, wer hier umbaut

Woolworth oder das Centermanagement –

aber am Ende läuft’s aufs selbe hinaus –

keine Butterdose.

Bei der Gelegenheit erkenne ich das eigentliche Ausmaß des Dramas:

Leerstand ohne Ende, schön zugepflastert

mit wohltuenden Touri-Hochglanz-Fotos von Berliner Sehenswürdigkeiten:

die Schuhläden bis auf D. weg,

die Konfektionsläden ersetzt durch E.,

alles andere ersatzlos weg,

ansonsten ALDI, REWE, ROSSMANN, Bäcker und Imbisse für die Waren des täglichen Bedarfs.

 

Oh man, das war mal eines der ersten und luxuriösen kleinen Center in Berlin:

mit Boutiquen, Hussel Schokoladen und Patisserie, Parfümerie Douglas -- lang, lang ist’s her.

Und was hilft das meiner Butterdose?

 

Muss ich die jetzt tatsächlich für 10,99 € bei Amazon bestellen?

Da ist Transport und Verpackung teurer als das gute Stück –

 

sind wir noch ganz ordentlich im Oberstübchen?

Aber da kann ich ja Meinung haben, so viel ich will – am Ende heißt’s: Friss oder stirb! –

 

Na dann, Geiz ist ja geil.

 

 

 

 

II.

Willkommen, du wandelnde Bedarfslücke

Du bist nicht hier, um zu wählen - du bist hier,

um zu gehorchen.

 

    Nicht wählen. 

         Nicht wünschen. 

      Nur gehorchen. 

 

Deine Wünsche? Haha, niedlich.

Wir haben längst entschieden, was du

brauchst.

Sieben Sorten Zahnpasta, vierzig Varianten

von Einsamkeit in Plastik, und ein

Sonderangebot auf Selbstverleugnung.

 

    Greif zu. 

    Greif zu, Nasen-Prinz. 

    Greif zu – bevor die Kamera dich scannt. 

 

Greif zu Nasen Prinz, bevor die Kamera dich

scannt und dein Profil aktualisiert.

Ein Verkäufer huscht vorbei.

Barcode auf der Stirn,

Headset im Ohr.

Umsatzgott im Kopf.

 

"Ich bin nicht zuständig.

Ich bin Umsatz.

Ich bin Rubrik.

Ich bin Vorschrift.

Bitte keine Emotionen."

"Aber Hunger.

Hunger stillen.

Hunger auf

allen Ebenen."

Die Tür bleibt verschlossen.

Eine Lautsprecherstimme, freundlich wie ein

Zahnarztbohrer:

"Zugang verweigert. Explosionsgefahr.

 

Tür verschlossen. 

    Tür verweigert. 

    Tür verweigert. 

    Explosionsgefahr. 

 

Wenden Sie sich bitte an den Prepper Ihres 

Vertrauens."

 

Prepper

Prepper

Prepper

 

 

 

 

 

III.

Du Nasen-Prinz

 

Hallo, und ich frage mich besorgt, warum du mir nicht sofort

den dicken Warnpfosten vor die Nase knallst,

weil ich schon wieder dabei bin, auf Abwegen zu marschieren. –

Nein ich will nicht träumen von etwas, dass es nicht mehr geben wird,

nicht weil die Menschen besonders böse sind, sondern weil es die Gegebenheiten nicht mehr zulassen –

und so wird es auch auf der ganzen Welt passieren, wenn die Bedingungen sich gleichen:

indem Augenblick, in dem wir alle nur noch Funktionen ausfüllen gibt es für Spielereien wie Freundlichkeit keinen Raum mehr :

du, als Kunde störst sowieso mit deinen ständigen Wünschen und Quengeleien. –

Wir die Bosse entscheiden, was du kaufst, du Nasen Prinz –

deshalb berieseln wir dich den ganzen Tag mit Werbeillusionen –

du bist unsere zu melkende Kuh und damit

der Strom nicht versiegt, lassen wir uns immer neue Reize und Sehnsüchte einfallen. –

Wir bestimmen, was du kaufst.

Wir bestimmen deinen Bedarf und nicht umgekehrt – Nasen Prinz!

 

Nasen-Prinz.

Nasen-Prinz.

Bedarf. Bedarf.

Nicht umgekehrt

 

 

Und der Verkäufer – er ist ebenso Rädchen im Getriebe,

Getriebener von Umsatz, Zahlen, Rubriken und Vorschriften –

was soll er da noch mit Kundschaft und sich

gegebenenfalls noch anmachen lassen,

für etwas, dass er nicht eigenständig verantwortet.

 

Verkäufer. 

    Rädchen. 

    Getriebe. 

    Vorschrift. Vorschrift. Vorschrift. 

Soll ich dir sagen, wie das Spiel weiter geht:

das Personal wird aus den Tempeln zusehends verschwinden,

vielleicht bis auf ein paar Packer nachts für Pennylohn.

 

    Verschwinden. 

    Nacht. Nacht. 

    Pennylohn. Pennylohn. 

 

Die Tür dieser neuen Tempel wird 24 / 7 offen sein,

aber nur für die, die mit Codes oder Keys in der Lage sind die Türen zu öffnen –

Kameraaugen und KIs werden jeden deiner Schritte beobachten,

um zu registrieren, was du kaufst, und dir die Rechnung am Ausgang stellen.

 

    Kamera. Kamera. 

   KI. KI.

    Schritt. Schritt. 

    Beobachten. Beobachten. 

 

Werden das die neuen Zentren für Krawalle werden????

 

    Krawall. 

    Krawall. 

    Krawall. 

 

Ich hege langsam Sympathien für die Prepper,

obwohl ich die immer für riesengroße Spinner gehalten habe.

Aber jetzt zeigt sich, dass das vielleicht die wirkliche Überlebenstrategie ist,

wenn die Tür nicht aufgeht oder wegen Explosionsgefahr gesperrt ist.

Ach, ich freu mich drauf!